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Weihnachtsgeschichte 2024

Der kleine Tannling findet Weihnachten

Dies ist die Geschichte des kleinen Tannling. Du kannst sie glauben oder nicht, aber alles ist tatsächlich genau so geschehen, wie es hier aufgeschrieben ist.

Es war in einem Land, in dem jeden Tag die Sonne schien. Morgens ging sie auf und am Abend pünktlich zur gleichen Zeit wieder unter. Die Tage waren heiß und die Nächte lauwarm. Es war ein Land, in dem niemand Winterstiefel oder Wollhandschuhe brauchte und die Menschen zu jeder Jahreszeit in kurzen Hosen und FlipFlops herumliefen.

Du kannst dir vorstellen, dass es ein Land war, in dem die Leute aus anderen Ländern gerne Urlaub machten. Wenn es bei ihnen zu Hause kalt wurde und der Schnee fiel, dann stiegen sie in ein großes Flugzeug und ließen sich ins warme Sonnenland bringen, in dem sie sich wieder aufwärmten.

Viele kamen auch, um Weihnachten in der Sonne zu feiern. Dann wurden im ewigen Sommerland Weihnachtsbäume aus Plastik aufgestellt, damit die Leute sich weihnachtlich wohl fühlen konnten.

Die Plastikweihnachtsbäume wurden am Strand aufgestellt, vor den Geschäften und in den Hotels, in denen die Leute aus den Winterländern wohnten.

Es gab die Plastikbäume in verschiedenen Größen. Sie waren riesengroß, mittelprächtig groß oder zwergenklein. Alle sahen sie aus wie richtige Tannenbäume. Mit braunen Ästen, an denen grüne Nadeln wuchsen und einem schönen Wipfel, auf den man einen Stern stecken konnte. Sie standen in schweren Töpfen, damit sie nicht umfallen konnten. Wurzeln hatten die künstlichen Bäume natürlich nicht.

Natürlich waren sie auch geschmückt wie richtige Weihnachtsbäume. Sie bekamen künstliche Kerzen auf die Äste gesteckt und bunte Kunststoffkugeln leuchteten in den grünen Nadeln.

Ich will euch von einem der kleinsten Bäumchen erzählen. Er hieß Tannling und stand vor einem Eisgeschäft an der Strandpromenade. Er war vielleicht so groß wie ein Schirmständer und er hatte nicht nur Kugeln und Kerzen, sondern auch Plastikäpfelchen und Plastikvögelchen und Plastiknüsse und Plastiksternchen in seinen Ästen. Er war wirklich besonders hübsch und die Leute betrachteten in gern, wenn sie anstanden, um sich ein Eis zu kaufen.

Tannling ließ sich auch gern betrachten und wenn er auf die bunten Eiskugeln schaute, dann wurde ihm ganz sonderbar ums Herz. Das kalte Eis erinnerte ihn an etwas, er wusste nur nicht genau woran. Er grübelte eine Weile und dann fiel ihm sein Ur-Ur-Ur-Großvater ein. Der hatte ihm immer gern Geschichten über Weihnachten erzählt. Über Weihnachten, wie es früher war. In einem Land, in dem es im Winter klirrend kalt wurde und die Erde mit einer weißen Schicht bedeckt war. Tannling dachte nach. „Schnee! Genau. Das war das Wort! So nannte man das damals in diesem Winterland. Und der Schnee fiel in großen, dicken Flocken vom Himmel und setzte sich auch auf die Tannenbäume, egal wo sie standen!“

Der kleine Tannling seufzte. „Das muss ein schöner Anblick sein“, dachte er. Und er schaute auf seine Plastiknadeln, die ein wenig verstaubt aussahen.

Hatte der Ur-Ur-Ur-Großvater nicht auch erzählt, dass die Nadeln der Tannenbäume im Winterland wunderbar geduftet hatten? Tannling schnupperte vorsichtig an seinen eigenen Nadeln. Er konnte nichts Besonderes riechen. Traurig klingelte er mit seinen Plastikglöckchen und schloss die Augen, damit er sich besser vorstellen konnte, wie es im Schneeland wohl aussah. Leise flüsterte er vor sich hin: „Weihnachten im kalten Schnee. Ein schöner Weihnachtstannenbaum, duftende Tannennadeln. Weihnachten im kalten Schnee. Ein schöner Weihnachtstannenbaum, duftende Tannennadeln. Weihnachten im kalten Schnee. Ein schöner Weihnachtstannenbaum, duftende Tannennadeln.“

Das hörte ein kleiner vorwitziger Weihnachtsengel, der auf der Durchreise ins Winterland war. Er hatte es ein wenig eilig, weil er spät dran war und er rechtzeitig zum Weihnachtsfest im Schnee bei den echten Weihnachtsbäumen sein wollte. Er stoppte mitten im Flug und flatterte mit seinen goldenen Flügeln über dem kleinen Tannling, der immer noch vor sich hin murmelte: „Weihnachten im kalten Schnee. Ein schöner Weihnachtstannenbaum, duftende Tannennadeln.“

„Naja“, dachte sich der Weihnachtengel, „Ein kleines Wunder wäre hier schon angebracht. So viel Zeit muss sein.“ Und er betrachtete den kleine Tannling mitleidig. Er sah die staubigen Nadeln, die Plastikkugeln und Plastikkerzen und den rosafarbenen Topf, in dem der Kleine steckte.

„Hier wird´s Zeit für richtige Weihnachten!“ Der Engel wedelte ein paarmal mit den Händen und plötzlich wurde der Tannling von einer dicken Wolke verschluckt und davon getragen. Er erschrak und riss die Augen auf. Und was er sah, verschlug ihm den Atem.

Er stand in einer weißen, wunderbaren Winterlandschaft. Um ihn herum kleine, große und riesengroße Tannenbäume. Er stand in der Mitte und klingelte aufgeregt mit seinen Glöckchen. „Juhu!“ rief er. „Ich bin tatsächlich im Winterland!“ Allerdings schämte er sich ein bisschen über seine duftlosen Plastiknadeln. Doch dann zog ihm ein himmlischer Duft in die Nase. Es roch nach … Tanne! Und er war es, der so roch! Verwundert schaute er auf seine Nadeln. Die reckten und streckten sich, wurden saftig und dunkelgrün und dufteten genau so, wie sich das für einen echten Weihnachtsbaum gehörte. Er schaute nach unten, dahin, wo vorher der rosa Topf war, in dem sein Stamm steckte. Der rosa Topf war weg! Und plötzlich spürte er, wie etwas aus ihm heraus wuchs und sich durch den Schnee, tief hinein in die Erde bohrte. Tatsächlich! Er wurzelte! Genau wie ein richtiger Baum! Es fühlte sich wunderbar an und er musste an seinen Ur-Ur-Ur-Großvater denken, der ihm von seinen kräftigen Wurzeln erzählt hatte, die ihn so standhaft gemacht hatten, dass er jedem Wintersturm trotzen konnte. Der kleine Tannling spürte, wie sein Herz einen Sprung tat. Er war ein echter Baum geworden!

Plötzlich bewegte sich etwas in seinem Nadelkleid. Verwundert schaute Tannling auf ein braunes Mäuschen, das genüsslich an einem seiner Plastikäpfel kaute. „He! Plastik kann man doch nicht essen!“ rief Tannling erschrocken. Das Mäuschen blickte ihn verwundert an. „Wieso Plastik? Das hier ist ein richtig superguter, roter Apfel. Selten so einen köstlichen probiert!“ Und es mampfte zufrieden weiter. Tatsächlich. Seine Plastikäpfel waren zu richtigen Äpfeln geworden. Jetzt konnte Tannling sie sogar riechen! Und da! Die Plastikvögelchen, die an seinen Ästen hingen, streckten die Flügel, putzten sich geschäftig und machten erste, vorsichtige Flatterversuche.

Tannling blickte zu seinem Wipfelstern hoch und sah noch, wie der sich erhob und in den Himmel davon zischte.

Und was geschah mit seinen Plastikkerzen? Die leuchteten wie Feuerschein und auch sie schwirrten in den Nachthimmel davon! Sie waren zu Glühwürmchen geworden. Die Plastiknüsse rollten die Äste entlang und plumpsten auf den Boden, wo sie von ein paar Eichhörnchen in Empfang genommen wurden, die sehr froh über das unverhoffte Abendessen waren.

Und was war mit den Weihnachtskugeln? Tannling schaute auf wunderhübsche Kugeln aus feinstem Glas, die in allen Farben leuchteten. Rot, Gold, Silber, Grün, Weiß und Blau. Sie klirrten leise zum Abschied und ließen sich von einem Windhauch davon tragen, der die Kugeln mit seinem kalten Atem in Schnee verwandelte, der sich auf dem Tannling niederließ. Das war wahrlich der schönste Schmuck, den sich der kleine Tannenbaum für seine grünen Nadeln vorstellen konnte. Seine Glöckchen klingelten zum Abschied und ihr Klingeln wurde zu flüsterndem Vogelgezwitscher, das sich in den hohen Ästen der anderen Tannen verlor.

Jetzt wurde es still und der Tannling atmete tief durch. Er war angekommen. Ein weihnachtlicher Frieden durchströmte ihn. Hier konnte er bleiben und die klirrende Kälte in Gesellschaft seiner Verwandten genießen.

Der kleine, dicke Weihnachtsengel nickte zufrieden und schaute auf den glücklichen Tannling herab. Der hatte sein Weihnachten gefunden.

                                                                                                                                              von Gabriele Liesenfeld

So schnell kann es gehen, wenn unsere Ausrichtung stimmt!

In diesem Sinne wünsche ich Wunder-volle und sinnerfüllte Weihnachten

und ein ebensolches Neues Jahr!

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